Die Seemannschaft umfasst weit mehr als nur die rein technischen Aspekte der Navigation - vielmehr beschreibt sie die Gesamtheit aller Fähigkeiten und Kenntnisse, die für die sichere Führung eines Schiffes und seiner Crew erforderlich sind. In diesem Kapitel werden wir uns mit einigen Facetten der Seemannschaft beschäftigen und aufzeigen, wie entscheidend sie für die Sicherheit an Bord ist.
Die Grundlagen der Seemannschaft
Ein erfahrener Skipper zeichnet sich dadurch aus, dass er sein Schiff und seine Crew auch unter widrigen Bedingungen sicher führen kann. Dies erfordert nicht nur fundierte navigatorische Kenntnisse, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Wind, Wetter und Seegang sowie die Fähigkeit, vorausschauend zu handeln.
Zu den wichtigsten Elementen der Seemannschaft gehören:
Ein besonders wichtiger Aspekt der Seemannschaft ist das Sicherheitsmanagement an Bord. Dazu gehört vor jedem Törn die gründliche Einweisung der Crew in alle sicherheitsrelevanten Aspekte wie die korrekte Verwendung von Rettungswesten und Lifebelts, die Brandbekämpfung sowie regelmässige Notfallübungen wie das "Mann-über-Bord"-Manöver.
Rollenverteilung und Kommunikation an Bord
Die Gesamtverantwortung für das Schiff und seine Crew liegt beim Skipper. Er oder sie muss dafür sorgen, dass alle Sicherheitsmassnahmen nicht nur klar kommuniziert, sondern auch konsequent umgesetzt werden. Dies betrifft insbesondere:
· Die eindeutige Festlegung, wann Lifebelts getragen werden müssen und welche Seeventile geschlossen bleiben
· Die Verwendung einer klaren, unmissverständlichen Kommandosprache
· Die umfassende Einweisung der Crew in alle wesentlichen Aspekte der Schiffsführung, von der Navigation über die Wetterkunde bis hin zur korrekten Handhabung der Sicherheitsausrüstung
Um die Belastung gleichmässig zu verteilen und die Wachsamkeit aller Crewmitglieder zu gewährleisten, werden die verschiedenen Aufgaben an Bord normalerweise entsprechend den individuellen Kompetenzen verteilt. Der Skipper sollte dabei stets im Blick haben, welches Crewmitglied über welche Spezialkenntnisse verfügt - sei es in der Motorwartung, der Ersten Hilfe oder anderen wichtigen Bereichen. Dies ermöglicht es ihm, im Ernstfall schnell die richtigen Personen mit den erforderlichen Aufgaben zu betrauen.
Lifebelts als unverzichtbare Sicherheitsausrüstung
Lifebelts, also Sicherheitsgurte, gehören zur wichtigsten Sicherheitsausrüstung an Bord, weil:
Lifebelts bewahren Leben, indem sie eine feste Verbindung zwischen Mensch und Boot herstellen. Besonders nachts oder bei Sturm können sie den entscheidenden Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen. Der Skipper muss daher konsequent auf das Tragen der Lifebelts bestehen - und zwar nicht nur für einzelne Crewmitglieder, sondern für alle, die an Deck arbeiten.
Verhalten bei schwerem Wetter
Die Erfahrung vieler Hochseesegler zeigt, dass Hektik und Panik an Bord meist mehr schaden als nutzen. Solange noch ausreichend Raum in Lee vorhanden ist, sollte die Situation sorgfältig analysiert werden, bevor überstürzte Manöver eingeleitet werden. Ein zügiges, aber besonnenes Handeln verhindert Fehlentscheidungen.
Dabei gilt es:
Ein gut gebautes und gut geführtes Schiff ist auf hoher See häufig sicherer ist als in Küstennähe oder in einem überfüllten Hafen. Während in Ufernähe die Gefahr besteht, auf Grund zu laufen oder von hohem Wellengang an Felsen und Molen gedrückt zu werden, hat man auf offener See meist genügend Raum und Zeit.
Die Rettungsinsel als letzte Option
Der Umstieg in die Rettungsinsel sollte wirklich nur dann erfolgen, wenn keine andere Option mehr besteht. Viele historische Vorfälle, unter anderem die tragischen Ereignisse beim Fastnet-Rennen 1979, haben gezeigt, dass verlassene Boote später oft noch schwimmfähig oder sogar nahezu unbeschädigt gefunden wurden - während die Crews, die ihre Schiffe frühzeitig verlassen hatten, sich häufig in weitaus gefährlicheren Situationen wiederfanden.
Der alte seemännische Grundsatz "Ein Schiff verlässt man erst, wenn es unter einem weg sinkt" hat nach wie vor seine Berechtigung. Die Rettungsinsel ist keine komfortable Alternative, sondern eine Überlebenskapsel für den äussersten Notfall. Ein teilweise beschädigtes, aber noch schwimmfähiges Schiff bietet fast immer mehr Schutz als eine kleine, schwer zu steuernde Rettungsinsel.
Notfallmanagement in kritischen Situationen
Gutes Notfallmanagement beginnt lange vor dem eigentlichen Ernstfall:
Bei Sturm auf See gilt es dann:
Gute Seemannschaft ist eine Kombination aus technischer Kompetenz, vorausschauendem Führungsstil, konsequenten Sicherheitsvorkehrungen und der Fähigkeit, auch in kritischen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Diese Mischung aus Expertise, Routine und Verantwortungsgefühl ist es, was echte Seemannschaft ausmacht und was für jeden künftigen Hochseeskipper unerlässlich ist.