Kapitel 19 - Elektronische Navigation

Hinweis für Kandidat:innen: Die nachfolgenden Inhalte dienen Ihrem maritimen Praxiswissen. Sie sind nicht prüfungsrelevant, da die Hochseeprüfung ausschliesslich klassische Navigations­verfahren bewertet.

 

Die elektronische Navigation hat das seemännische Handwerk in wenigen Jahrzehnten grundlegend erweitert: Satelliten­positionierung, digitale Seekarten und vernetzte Sensoren liefern ein Lagebild, das mit Papierkarte und Sextant allein nicht erreichbar wäre. Gleichwohl bleibt Technik nur so gut wie die navigatorische Urteilskraft, die sie nutzt – und versagt sie, greift der Kompass zum Papier.

 

GPS und andere GNSS

Das Global Positioning System ist bis heute das Rückgrat jeder Bord­elektronik. Ein Empfänger errechnet aus den Signalen mehrerer Satelliten seine Position typischerweise auf zehn Meter genau; Verfahren wie Differential- oder RTK-Korrektur steigern die Präzision bis in den Dezimeter­bereich. Störeinflüsse – Abschattung, Mehrwege­reflexion, atmosphärische Effekte oder gezielte Störsender – erinnern daran, dass stets ein zweiter Fix (z. B. per Lotpeilung) bereitstehen sollte. Moderne Chipsätze kombinieren GPS mittlerweile mit GLONASS, Galileo oder Beidou und erhöhen so Redundanz und Verfügbarkeit.

 

Elektronische Seekarten

Digitale Karten treten in Raster- und Vektor­form auf; letztere bilden den Standard (ENC) der Berufsschifffahrt. Kombiniert mit GNSS entsteht der Chartplotter, der Wegpunkte, Tiefen­konturen und Gefahren visuell zusammenführt. Seine Stärken – stufenloses Zoomen, automatische Warnungen, Overlay von Radar- oder Wetterdaten – entfalten sich nur bei konsequenter Aktualisierung der Kartendaten und Software. Für Yachten genügt ein ECS (Electronic Chart System); die streng regulierte ECDIS-Version bleibt Handelsschiffen vorbehalten.

 

Radar und AIS

Radar bleibt das Auge bei Nacht, Nebel oder Starkregen. Puls- und neuere FMCW-Geräte zeigen Küstenlinie, Schiffe und Regenzellen bis weit über die Sichtweite hinaus und können bewegte Ziele automatisch verfolgen (MARPA). Ergänzend sendet das Automatische Identifikations­system AIS Positions- und Schiffs­daten auf UKW-Frequenzen; selbst kleine Yachten erkennen so Verkehr hinter Landzungen oder jenseits der Radar­reichweite und erhalten frühzeitige Kollisionswarnungen.

 

Echolot und Tiefensensoren

Ultraschallimpulse messen die Wassertiefe unmittelbar unter dem Rumpf. Erweiterte Fish-Finder oder Forward-Looking-Sonare liefern Grundprofile voraus – hilfreich beim Ankern oder in schlecht kartierten Revieren. Doch jede Anzeige bleibt so verlässlich wie ihr Einbauort, ihre Kalibrierung und die Interpretation der Crew.

 

Vernetzung an Bord

Der NMEA-2000-Bus verbindet Plotter, GNSS, Radar, AIS, Lot, Wind- und Steueranlagen. Ein zentrales Display bündelt Daten, gibt Alarme aus und kann den Autopiloten direkt auf Routenlinien führen. Diese Integration erzeugt Situational Awareness, verlangt aber saubere Stromversorgung, Firewall-Schutz und regelmässige Firmware-Pflege – ein einzelnes Update kann Fehlerkorrekturen oder neue Kartenformate bringen.

 

Praktische Grenzen

Elektronik versorgt sich nicht selbst: Energie­management, Ersatz­sicherungen und Backup-Geräte gehören zur Törnplanung. Ebenso unablässig bleibt die manuelle Kontrolle – ein fixer Kompasskurs, ein Blick auf Landmarken, eine Lot­tiefe, die zur Kartentiefe passt. Technik fördert Effizienz, darf aber nicht in Automations­trance münden.

 

Ausblick

Cloud-gestützte Routings, Augmented-Reality-Overlays und KI-gestützte Kollisions­assistenten nehmen bereits Gestalt an. Gleichwohl bleibt die höchste Sicherheits­reserve jene navigatorische Kompetenz, die unabhängige Methoden beherrscht und Unstimmigkeiten erkennt. Wer klassische Verfahren sicher beherrscht und elektronische Systeme kritisch nutzt, bewegt sich mit doppeltem Boden – heute wie morgen.

 

Fazit

 

Elektronische Navigation erweitert Reichweite, Präzision und Komfort, ersetzt aber nie das seefahrerische Urteils­vermögen. Halten Sie Geräte aktuell, pflegen Sie Redundanz – und verlernen Sie niemals Kurs­, Peilung und Lot. So vereint sich moderne Technik mit bewährtem Handwerk zu einem ebenso leistungsfähigen wie sicheren Navigationssystem.

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